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1. Februar 2007
Frau Präsidentin, meine sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Ronellenfitsch, zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit im abgelaufenen Jahr recht herzlich bedanken. Ein besonderes Dankeschön gilt neben der rein fachlichen Arbeit auch der geistreichen Art und Weise, wie Sie die Arbeit im Innenausschuss bereichern, wovon wir auch heute hier eine Kostprobe vor dem gesamten Plenum erleben durften.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihre Ausführungen zur Videoüberwachung und zur Fußballweltmeisterschaft kann ich nur unterstreichen. Ich freue mich, dass wir in Ihnen da einen Partner haben, mit dem wir auf diesem Weg weitergehen können.
Meine Damen und Herren, Datenschutz in Hessen ist schon ein ganz besonderes Kapitel. Wir GRÜNE waren immer stolz darauf, dass Hessen das Stammland des Datenschutzes war. Auch Sie, Herr Beuth, haben diesen Begriff benutzt. Aber wenn ich das aus Ihrem Mund höre, habe ich immer die Vermutung, dass das ohne allzu viel Hintergrund und Herzblut ist, wenn Sie an dieser Stelle mit dem Begriff "Stammland des Datenschutzes" umgehen. Denn jetzt ist die Landesregierung dabei, sich von der Spitze der Bewegung, an der wir einmal waren, mit Riesenschritten an das andere Ende zu bewegen. Herr Siebel, Sie haben von Stillstand gesprochen. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich sage, die Landesregierung geht mit Riesenschritten an das andere Ende der Bewegung und ist dabei, Datenschutz im Land Hessen Schritt für Schritt zu entsorgen.
Herr Beuth, Sie haben gesagt, Datenschutz sei eine Materie, die sich nicht so richtig erschließt. Das haben Sie mit dem Dank dafür verbunden, dass Herr Prof. Ronellenfitsch es doch verstehe, sie den Menschen näher zu bringen. Das lasse ich mir auf der Zunge zergehen: Datenschutz sei eine Materie, die sich nicht so richtig erschließe. Jetzt weiß ich, warum die CDU mit dem Datenschutz so umgeht, wie sie es tut.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir noch einen Beweis gebraucht hätten, dass Sammelwut und sorgloser Umgang mit personenbezogenen Daten hier in der Landesregierung und auch in der CDU-Landtagsfraktion niemanden so wirklich aufregt, dann wäre das die sogenannte Datenpanne beim Darmstädter Polizeipräsidium gewesen. Ich meine damit nicht das persönliche Versehen eines Mitarbeiters. Er hat sich offensichtlich genau im Rahmen dessen bewegt, was seine Dienstvorschriften ihm vorschreiben. Dass diese Dienstvorschriften, die er angewendet hat, so sind, wie sie sind, ist der eigentliche Skandal an der ganzen Sache.
Ich finde es schier unbegreiflich, dass die Führungsebene des Ministeriums sagt: Wir regeln das, wir kriegen das in den Griff, und wir stellen jetzt einmal zwei virtuelle Stoppschilder in das Programm, dann ist alles gut und dann ist es geregelt.
Herr Innenminister, ich sage Ihnen, dass das so nicht geht. Das kann man mitnichten so machen. Man kann mit sensiblen personenbezogenen Daten so nicht umgehen und sie nur zwei oder drei Mausklicks weit vom öffentlichen Internet entfernt halten. So geht das nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da müssen Sie sich schon etwas anderes einfallen lassen. Die Begründung, die Staatssekretär Lemke dazugegeben hat, war aus meiner Sicht ziemlich entlarvend. Es wird hier ein IT-System benutzt, das einen schnellen und bequemen Zugang zum Internet bietet. So wurde es uns dargelegt und begründet. Das ist das Content-Management-System. Das kann man sicher gut und praktisch nutzen, wenn es darum geht, Pressemitteilungen schnell ins Netz zu stellen und rasch und zügig Informationen, die für eine große Öffentlichkeit bestimmt sind, nach draußen zu geben. Dann kann man mit so einem IT-System arbeiten. Wenn ich aber Daten habe, die eben nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt sind, dann muss der Grundsatz Sicherheit vor Bequemlichkeit gelten, nicht Bequemlichkeit vor Sicherheit. Da muss man schon etwas anders arbeiten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei allem Verständnis für Schnelligkeit und Schnelllebigkeit denke ich, dass wir da andere Sicherungssysteme brauchen, um vernünftig mit sensiblen Daten umgehen zu können. Herr Bouffier, ich denke, dass da schnell nachgearbeitet werden muss. Dieser Auffassung war auch der Hessische Datenschutzbeauftragte, der uns in seiner Pressemitteilung hat wissen lassen, dass er diese Art der Datenverarbeitung, wie Daten ins Internet gestellt werden, auch nicht richtig findet.
An dieser Stelle zeigt sich noch einmal deutlich das mangelnde Problembewusstsein. Der Hessische Datenschutzbeauftragte erfuhr über die Presse von diesem Gau im Datenschutz. So dürften meiner Ansicht nach öffentliche Stellen mit dem Datenschutzbeauftragten und dem Datenschutz in Hessen nicht umgehen. Da ist mehr Sensibilität gefragt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bleibe im Bereich der Polizei und des Innenministeriums, wenn ich mich mit dem Datenschutzbericht beschäftigte, obwohl auch im Kultusministerium mit seinen Datenbanken ziemlich vieles aufzugreifen wäre. Es gibt offensichtlich im Bereich der Polizei eine große Abneigung, einmal gesammelte Datensätze auch wieder zu löschen. Das zieht sich in ganz unterschiedlicher Intensität durch die Berichte. Im 34. Bericht finden wir eine Überschrift "Gelöscht und doch nicht gelöscht – Prüfung von Polizeidatenbeständen". Im Folgenden wird das Problem beschrieben, dass Datensätze, die eigentlich zur Löschung bestimmt waren, nicht gelöscht werden, weil es technische Probleme bei der Umsetzung gibt. Ich finde es schon bemerkenswert, dass es eine technische Lösung für das Sammeln und Verwerten von Daten gibt, sich aber für eine ordnungsgemäße Löschung keine technische Lösung findet. Das zeigt aus meiner Sicht wieder einmal den Stellenwert, der dem Datenschutz zugestanden wird. Wenn man sich dann noch einmal mit den Einzelheiten beschäftigt, kommt man zu einem ganz bemerkenswerten Grundsatz. Es heißt im Datenschutzbericht – ich zitiere –:
Bei einer Reihe von Fällen
– die eigentlich gelöscht sein sollten –
… war ein Datensatz im polizeilichen Auskunftssystem POLAS-HE tatsächlich nicht mehr vorhanden. Trotzdem zeigte das Auskunftssystem, mit dem gleichzeitig das bundesweite Informationssystem abgefragt wird, immer dann einen Treffer, wenn die Person erkennungsdienstlich behandelt worden war. Das erklärt sich daraus, dass das Bundeskriminalamt ein Mehrexemplar einer jeden erkennungsdienstlichen Behandlung erhält. Dies wiederum führt zu einer Datenspeicherung im INPOL, die nur auf Veranlassung des Bundeskriminalamtes gelöscht werden kann.
In diesen Fällen war dem LKA nicht bekannt, wann das BKA die Löschung veranlasst.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Bei der Datenpanne in Darmstadt wurde die Hinterlegung im Internet zum großen Teil darauf zurückgeführt, dass von Google gefertigte Dateikopien im Internet standen, wir darauf keinen Zugriff hatten und alles fürchterlich schwierig war, weil wir auf Google keinen Zugriff haben und Google in Kanada sitzt.
(Rafael Reißer (CDU): Das hat er doch erklärt, oder?)
Und was bedeutet das für deutsche Polizeibehörden? Warum schaffen es deutsche Polizeibehörden in Deutschland nicht, ein abgestimmtes Verfahren zu entwickeln, um Datensätze zu löschen? Das finde ich schon einen bemerkenswerten Vorgang – dass wir es nicht hinbekommen, solche abgestimmten Verfahren für einen vernünftigen Datenschutz zu entwickeln.
(Minister Volker Bouffier: Gehen Sie doch einmal zu Google!)
– Herr Bouffier, das ist nicht das Problem von Google, sondern dieses Problem müssen Sie hier lösen, auf der Abstimmungsebene zwischen den verschiedenen Ministerien und Einsatzorten.
(Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))
Ich denke, dort müssten Sie tätig werden.
Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz auf das Informationsfreiheitsgesetz eingehen. Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch hat es mehrfach angemahnt und auch eine Datenschutztagung zu diesem Thema veranstaltet. Im September haben wir dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Die Anhörung werden wir Ende Februar haben. Wir haben gehört, die CDU hat bisher noch nichts von ihrer ablehnenden Haltung aufgegeben.
Herr Beuth, ich finde es schade, dass Sie die Argumente aus der Rede zur ersten Lesung heute noch einmal benutzt haben und von der großen Anforderung an die Bürokratie gesprochen haben, die das Informationsfreiheitsgesetz aus ihrer Sicht aufwerfe. Ich denke, Sie sollten sich da nochmals bei anderen Ländern kundig machen, die inzwischen ein solches Gesetz haben. Sie sollten die Argumente abwägen und darauf eingehen, dass der Hessische Datenschutzbeauftragte von Balance gesprochen hat, Balance zwischen dem Datenbesitz und dem Informationszugang für Bürgerinnen und Bürger. Wenn wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger die adäquaten Partner sind, mit denen wir umgehen wollen, dann brauchen wir auch ein für sie geeignetes Instrument, damit sie angemessen an die Daten gelangen. Ich hoffe, in diesem Sinne bewegen wir uns ein bisschen aufeinander zu. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))
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