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14. Dezember 2006
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollten den Verkauf dieses Immobilienpakets "Leo II" durch das Plenum entscheiden lassen. Denn wir sind der Ansicht, dass es um eine so wichtige Entscheidung geht, nämlich um 36 Gebäude, in denen sich Ministerien, Polizeibehörden, Gerichte, Finanzämter und andere Landesbehörden befinden. Das kann der Haushaltsausschuss nicht alleine, das muss das Plenum entscheiden. Schließlich geht es hier um Weichenstellungen für die Zukunft, und das wollten wir nicht allein im Haushaltsausschuss lassen.
Der Finanzminister verhökert Landesvermögen,
(Zuruf der CDU: Na, na!)
um den Schuldenstand nicht noch weiter ins Uferlose anwachsen zu lassen, und beschert damit künftigen Landtagen feste Kosten in Form von Mietzahlungen in Millionenhöhe. Wir brauchen diese Objekte – abgesehen von zwei abgrenzbaren kleinen Flächen – noch über Jahre hinaus. Ich denke, das ist eine Entscheidung, die wir hier im Plenum treffen müssen und für die wir alle Verantwortung übernehmen müssen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die Landesregierung setzt mit dieser Vorlage einen Kurs fort, den wir schon in der Vergangenheit kritisiert haben und der für uns mit zukunftsfähiger Bewirtschaftung von Landesvermögen nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir wollen Ihnen durchaus noch einmal die Gelegenheit geben, in sich zu gehen und diesen Kurs zu korrigieren.
(Zuruf von der CDU: Das werden wir aber nicht tun!)
– Vielleicht hören Sie mir erst einmal zu, und dann können Sie noch einmal ins Nachdenken einsteigen. – Sie wollen dieses Immobilienpaket an einen Finanzinvestor mit Sitz in Wien verkaufen. Unsere Frage, ob und in welchem Umfang das Geschäft durch den Investor über Steuervorteile finanziert wird oder auch zusätzlich durch Steuervorteile interessant wird, konnte im Haushaltsausschuss nicht überzeugend beantwortet werden.
(Norbert Schmitt (SPD): Ja, das muss diskutiert werden!)
Für uns bleibt nach wie vor offen, ob und in welchem Umfang Steuerzahlerinnen und Steuerzahler diese Transaktion über Verlustmodelle mitfinanzieren. Diese Frage konnte nicht beantwortet werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung vergleicht sich immer gern mit einem Unternehmen der freien Wirtschaft. Gesunde Unternehmen trennen sich von Betriebsgrundstücken in der Regel nur aus steuerlichen oder haftungsrechtlichen Gründen. Da für das Land Hessen nach meiner Kenntnis beides ausscheidet, kann ich nur folgern: Das Land Hessen hat mit einem gesunden Unternehmen nichts gemein, ist damit nicht vergleichbar und muss zu solchen Finanzierungstricks greifen, um Liquidität abzusichern und die Verschuldung nicht noch dramatischer ansteigen zu lassen. Das ist der einzige Grund.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei VW wäre der Finanzminister schon rausgeflogen! – Minister Karlheinz Weimar: Wie wollen Sie das beurteilen?)
Wir haben zu diesem Verkaufspaket "Leo II" wie auch zu dem Verkaufspaket "Leo I" ein umfangreiches Papier bekommen, das auch einiges wiegt. Dieses Papier ist überschrieben – –
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Finanzminister, verkaufen Sie einmal Ihr Eigenheim!)
Präsident Norbert Kartmann:
Herr Kollege Al-Wazir, das Wort hat Ihre Kollegin, Frau Erfurth. – Bitte schön, Frau Erfurth.
Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das Papier, das wir bekommen haben, ist überschrieben mit: "Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Immobilientransaktion 'Leo II'". Herr Kollege von Hunnius hat es schon zitiert, so auch Herr Kollege Caspar. In diesem Paket kommen die Verfasser – wen würde es wundern? – für jedes Objekt zu dem Ergebnis: Der Verkauf ist wirtschaftlich sinnvoll und für das Land vorteilhaft.
Wenn ich mir das anschaue, dann finde ich, dass mit dem Begriff "Wirtschaftlichkeit" und "Wirtschaftlichkeitsberechnung" sehr viel Schindluder getrieben wird und dass in diesem Papier der Begriff "Wirtschaftlichkeit" zu Unrecht verwendet wird, zumindest wenn man die Landessicht betrachtet. Für die Käufer ist es sicherlich hoch rentierlich und wirtschaftlich.
(Ulrich Caspar (CDU): Das ist doch Schwachsinn!)
Ich möchte das einmal an einem Beispiel festmachen. Es geht mir in der Liste um die Liegenschaft Nr. 32, ein historisches, zum Stadtbild der Landeshauptstadt gehörendes Gebäude. Die meisten von Ihnen kennen es unter dem Begriff "Landeshaus". Es ist – wie bekannt – derzeit im Besitz des Wirtschaftsministeriums. Dieses Gebäude wurde für staatliche Zwecke 1907 errichtet. Seit 1949 hat dort das hessische Wirtschaftsministerium seinen Sitz. 1990/91 wurde ein moderner Erweiterungsanbau errichtet, und für dieses Objekt wurde – wenn man so will – ein recht stattlicher Veräußerungserlös erhandelt, knapp 43 Millionen €.
(Ulrich Caspar (CDU): Trotz Denkmalschutz!)
– Ja, ich komme darauf noch. – Das ist eine beachtliche Summe, wenn man auch bedenkt, dass die Gutachten bzw. vorigen Wertschätzungen nur 28,6 Millionen € ergeben hatten. Da kann man einmal sehen, wo Schätzungen landen. Wir hätten sicherlich noch einen höheren Verkaufserlös erhandeln können, wenn man dem Investor zugesagt hätte, wir gingen mit den Mietzahlungen noch hoch. Diese Konnexität können wir Ihnen auch nicht ersparen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)
(Minister Karlheinz Weimar: Das ändert aber nichts an der Rechnung!)
Herr Finanzminister, zu der Rechnung komme ich noch. – Für dieses Objekt wird die Landesregierung in den nächsten 30 Jahren, Jahr für Jahr ansteigend, zunächst mindestens 2,2 Millionen Euro Miete jährlich zahlen. Darauf kommt noch die Grundsteuer – in jedem Jahr mindestens rund 67.000 Euro –, sodass am Ende knapp 2,3 Millionen Euro im Jahr zu zahlen sind.
(Ulrich Caspar (CDU): Wo fließt die Grundsteuer hin?)
– Herr Caspar, wahrscheinlich ist die Grundsteuer das einzigste, was wir an diesem Geschäft jemals wieder vereinnahmen werden.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Stadt Wiesbaden kann sich freuen!)
– Ein Stück kriegt auch das Land, aber das wollen wir jetzt nicht weiter diskutieren.
(Zurufe von der CDU)
Um die Wirtschaftlichkeit des Verkaufs nachzuweisen, macht die Landesregierung – etwas vereinfachend dargestellt – die folgende Rechnung auf: Bleibt das Gebäude bei uns, wird am Ende der Mietzeit ein Verkaufserlös geschätzt. Davon werden die ebenfalls geschätzten Instandhaltungskosten abgezogen, die das Land normalerweise als Eigentümer zu tragen hätte. Wenn das Ergebnis dieser Berechnung – geschätzter Verkaufswert am Ende der Mietzeit minus Instandhaltungskosten – geringer als der tatsächliche Kaufpreis nach Abzug des Barwertes der Mietzahlungen ist, soll damit die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. – Ich gebe zu, ich mute Ihnen ein bisschen viel zu.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das liegt an der Rhetorik!)
Aber darauf kommt es an. Bei dem Nachweis der Wirtschaftlichkeit geht die Landesregierung davon aus, dass diese Immobilie, über die wir jetzt sprechen – nämlich das Landeshaus – am Ende dieser 30 Jahre nur noch ungefähr 1 Million Euro wert ist.
(Norbert Schmitt (SPD): Eine absolute Lachnummer!)
Ich frage Sie einmal: Wie rechnen Sie? Wir wollen jetzt für 43 Millionen verkaufen, und nach 30 Jahren ist dieses Objekt nur noch ungefähr 1 Million € wert? Ich frage mich, was ist da noch wirtschaftlich, und wie wird das gerechnet?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Von diesem angeblichen wirtschaftlichen Wert im Jahre 2036 werden noch Instandhaltungskosten abgezogen. In jedem Jahr – so wird gerechnet – werden in dieses Projekt mindestens 200.000 € investiert. Das wächst mit der Inflationsrate auf. Im Jahre 2036 werden es 310.000 € sein. Im Jahre 2036, wenn wir dieses so wertvoll instand gesetzte Objekt haben, ist es nur noch 1 Million € wert. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Das ist eine unglaubliche Rechnerei, die mit Wirtschaftlichkeit überhaupt nichts zu tun hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
– Herr Milde, das sind die Zahlen aus diesem Papier, das sich Wirtschaftlichkeitsberechnung nennt. Ich referiere diese Zahlen.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Der Rechnungshof bescheinigt, dass die richtig ist!)
– Dann müssen wir uns vielleicht mit dem Rechnungshof näher ins Benehmen setzen,
(Norbert Schmitt (SPD): Die haben Annahme unterstellt, die sind nicht bewertet worden!)
oder wir müssen schauen, wie diese Annahme zustande kommt. Diese Berechnung ist weder mit der Alltagserfahrung vergleichbar, noch mit der Betriebswirtschaftslehre erklärbar. Schlicht und einfach – ich sage es einmal – sollte ein Ergebnis erreicht werden. Wer so rechnet, der setzt sich dem Verdacht aus, dass ein bestimmtes Ergebnis von Anfang an beabsichtigt war
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
und dass die angebliche Wirtschaftlichkeit des Verkaufs mit aller Macht nachgewiesen werden sollte. Diesen Verdacht können Sie bisher nicht zurückweisen. Herr Minister Weimar, wir haben Ihnen vorgerechnet, dass der Verkauf der Gebäude mehr als kurzsichtig ist und dass der Verkaufserlös aus den Gebäuden weit vor Ablauf der Mietzeit verfrühstückt sein wird. Unsere Berechnung ist zugegebenermaßen eine einfache Amortisationsrechnung.
(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar: Die ist witzig!)
Das ist so. Das ist eine einfache Amortisationsrechnung. Sie haben uns vorgehalten, dass diese finanzwirtschaftlich nicht haltbar sei. Ich kann Ihnen nur sagen, unsere Methode ist solider, transparenter und einfacher nachvollziehbar als Ihre Berechnung, die mit falschen Annahmen und Parametern nur ein Ziel hat,
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Aber falsch! – Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)
eine wissenschaftlich verbrämte Untermauerung für eine politische Vorgabe zu liefern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Präsident Norbert Kartmann:
Ihre Redezeit geht zu Ende.
Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Diese politische Vorgabe war, kurzzeitig Druck aus dem Haushalt zu nehmen. Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht mehr als durchsichtig. Ich kann nur noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU appellieren, diesen Unsinn nicht mitzumachen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Verkaufen können wir nur einmal, aber Miete zahlen müssen wir über mindestens sechs Legislaturperioden, und das belastet künftige Haushalte. – Ich danke.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
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