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Sigrid Erfurth zur 2. Lesung Nachtragshaushaltsgesetz 2007

11. Dezember 2007

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Nachtragshaushalt ist ein finanzpolitisches Trauerspiel. Herr Williges, ich kann Ihnen die Zahlen nicht ersparen. Es strömen tatsächlich 1,5 Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant in die hessische Landeskasse, und diese Landesregierung und dieser Finanzminister bringen es nicht fertig, auch nur einen müden Euro für die Senkung der Nettoneuverschuldung einzuplanen.

(Norbert Schmitt (SPD): Im Gegenteil!)

Das ist ein Vorgang, den ich tatsächlich unglaublich finde. Sie haben dann auch noch die Frechheit, öffentlich zu verkünden, in Hessen würde ein erfolgreicher Konsolidierungskurs gefahren, und das Land sei auf einem guten Wege zu einem ausgeglichenen Haushalt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Humor hat die CDU!)

Ich frage Sie, wann Sie Ihre Märchenstunde fortsetzen wollen. Selbst Steuermehreinnahmen in dieser Höhe, die zum größten Teil durch die konjunkturelle Belebung auf Bundesebene verursacht sind oder auch durch die Aufgabe der Blockadepolitik der CDU gegenüber überhöhten Steuersubventionen wie z. B. der Eigenheimzulage, die jetzt wieder in die Landeskassen fließen, schaffen es nicht, Ihre durch Misswirtschaft geprägte Haushaltspolitik auf den Pfad der Tugend zurückzubringen. Da fragt man sich: Wann wollen Sie anfangen, wirksame Sparmaßnahmen einzuleiten, wenn nicht in Zeiten wie diesen? Wann soll das passieren?

Der Kollege von Hunnius hat zu Recht darauf hingewiesen: Beim Nachtragshaushalt ist Fehlanzeige mit tatsächlichen Einsparungen. Man findet keine Haushaltsstelle, die davon geprägt ist, dass Ausgaben zurückgenommen werden. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis dieser Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben in Hessen einen Schuldenstand von 30 Millionen Euro, aber Sie bringen das Kunststück fertig, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, in dem nichts, aber auch gar nichts eingespart wird. Ganz im Gegenteil, Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro werden zusätzlich verfrühstückt. Ich denke, das ist ein starkes Stück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo ist bei diesem Verhalten Ihr Lieblingsspruch hingekommen, Herr Finanzminister Weimar? Sie haben uns doch immer erzählt: vorsichtig planen, besser abschneiden. Wo ist dieser Vorsatz hin? Wir stehen hier keinen Euro besser da als vorher. Ich finde, da hat Sie die Wirklichkeit eingeholt. Sie sind dafür verantwortlich, wenn das hessische Wappentier von einem Löwen zu einem Pleitegeier mutiert.

Ich komme jetzt zu Leo III. Der Nachtragshaushalt für das Jahr 2007 macht ziemlich deutlich, welche Schieflage die Haushalte in den letzten Jahren hatten und mit welchen Tricks der Finanzminister gearbeitet hat, um diese Misswirtschaft zu kaschieren. Nur mit den Einmaleffekten bei der Veräußerung von landeseigenen Gebäuden und Grundstücken konnten Sie den Landeshaushalt in den Vorjahren vor dem völligen Absturz retten, und zwar alles bei Objekten, die wir im Lande noch brauchen. Diese Tricks fallen jetzt ganz besonders auf, wo geplante Verkäufe platzen. Über die Plünderung von Landesvermögen zugunsten kurzfristiger Haushaltseffekte kann der schöne Name Leo nicht hinwegtäuschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier kann ich aus der Beantwortung der Großen Anfrage zitieren. Sie haben seit 2005 für 2,1 Milliarden Euro Immobilien verkauft, um sie anschließend langfristig zurückzumieten, in der Regel für 20 bis 30 Jahre mit Verlängerungsoption. Dann zahlen Sie künftig pro Jahr 115 Millionen Euro Miete dafür. Sie konnten uns nicht ganz ausrechnen, was das in der Zukunft bedeutet. Das fand ich schon bemerkenswert.

Das ganze Geschäft haben Sie dann noch vor Aufstellung der Eröffnungsbilanz für Hessen hingebogen, deren Beginn Sie jetzt noch um ein Jahr hinausgeschoben haben. Ich frage: War das Absicht, damit der Raubzug durch das öffentliche Vermögen nicht ganz so offensichtlich wird? Ich finde, es ist gut, dass Hessens Wählerinnen und Wähler am 27. Januar die Chance haben, diese Politik für Heuschrecken zu beenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, zu den Studiengebühren. Der Kollege Williges hat die Kollegen und Kolleginnen von der SPD ein wenig dafür gescholten, dass sie es mit dem Antragsverfahren nicht richtig gemacht hätten. Da habe ich mich schon gefreut und gesagt: Aha, das ist jetzt die Spur, dass Sie unserem Antrag zustimmen werden, weil wir den richtigen Haushaltsantrag dazu stellen, eine Rücklage für die Studiengebühren einzustellen. Das muss auch richtigerweise so passieren; denn nach unserer Auffassung sind die Studiengebühren verfassungswidrig erhoben worden. Sie müssen das Prozessrisiko absichern. Wir folgen damit dem Vorsorgeprinzip, das sich im Übrigen aus dem Handelsrecht ableitet, nämlich mögliche finanzielle Auswirkungen in dem Jahr periodengerecht zu berücksichtigen, in dem sie entstehen, und sie nicht auf zukünftige Haushalte zu verschieben.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Wir wollen damit einen schweren Fehler der Landesregierung und auch der CDU-Landtagsfraktion korrigieren. Sie haben ein bisschen gemerkt, dass Sie nicht ganz auf der richtigen Spur sind, und haben einen Haushaltsvermerk eingestellt, in dem steht, dass Sie für den Fall, dass der Staatsgerichtshof die Studiengebühren für verfassungswidrig erklärt, natürlich gegenüber den Hochschulen einstehen. – Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Da müssen Sie schon ein bisschen Butter bei die Fische geben und eine vernünftige Rücklage in den Haushalt einstellen. Nur so geht es richtigherum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie müssen sich auch selbst beim Wort nehmen. Sie führen neue Verwaltungssteuerung und neues Haushaltsrechnungswesen ein. Das ist alles herausgeschmissenes Geld, wenn Sie es nicht richtig machen und nach der Faktenlage vernünftig Rücklagen nicht in den Haushalt einstellen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Genau so muss man das machen, wenn man immer damit wirbt, dass Handelsrecht die Grundlage für den Haushalt ist. Denn Sie haben ein eindeutiges Prozessrisiko. Der Staatsgerichtshof wird mit ziemlicher Sicherheit die Studiengebühren, die Sie Beiträge nennen, für verfassungswidrig erklären.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das haben Sie uns beim Kopftuchverbot genauso erklärt! Mit dieser Selbstgewissheit!)

– Das werden wir sehen, was da herauskommt. Herr Wagner, am 27. Januar haben die Wählerinnen und Wähler das Wort,

(Michael Boddenberg (CDU): Das sowieso!)

und dann wird eine andere Landesregierung ihr Wort einlösen. Das wird dazu führen, dass die Studiengebühren, die Sie "Beiträge" nennen, wieder abgeschafft werden, dass Hessens Studentinnen und Studenten wieder vernünftig studieren können und dann auch Zugangshürden abgebaut werden.

Aus diesen beiden Risikofaktoren wird völlig klar: Wir brauchen eine Rücklage im Landeshaushalt. Den Antrag auf Schaffung dieser Rücklage haben wir Ihnen vorgelegt. Wir hoffen sehr auf Ihre Zustimmung. Herr Williges, vielleicht werben Sie noch ein bisschen dafür, dass wir einen korrekten Haushalt beschließen können.

Ich komme zu einem Punkt, der Ihre Lieblingsausrede ist. Die Lieblingsausrede des Finanzministers und der CDU, warum es die Landesregierung in Hessen nicht schafft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ist der Länderfinanzausgleich. Meine Damen und Herren von der CDU, diese Ausrede ist dünn, und sie ist leicht mit einigen wenigen Fakten zu widerlegen.

Hessen ist Zahlerland im Länderfinanzausgleich, seit es den Länderfinanzausgleich gibt; das ist so. Nur Baden-Württemberg hat insgesamt mehr in den Länderfinanzausgleich eingezahlt als Hessen; auch das kann man nachlesen. Nur Hamburg hat insgesamt mehr pro Kopf in den Länderfinanzausgleich eingezahlt als Hessen. Den höchsten Anteil im Länderfinanzausgleich – man höre und staune – hat Hessen im Jahr 1993 eingezahlt, nämlich mit 68 Prozent des Gesamtvolumens, also weit vor Ihrer Zeit. Am allerwichtigsten finde ich: Die Anteile, die das Land Hessen im Verhältnis zu den bereinigten Gesamtausgaben in den Länderfinanzausgleich einzahlt, sind über all die Jahre relativ konstant geblieben, mit ganz wenigen Schwankungen.

Herr Finanzminister, da wird es überhaupt nicht verständlich, wenn Sie uns allen weismachen, nur Sie ganz persönlich und nur Ihre Landesregierung seien jetzt ganz besonders hart betroffen und ganz besonders gequält durch den Länderfinanzausgleich. Das ist doch alles Unsinn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Persönlich haftend!)

Herr Weimar, Sie stehen doch immer vor uns und tun so, als müssten Sie die gesamte Last des Länderfinanzausgleichs und des föderalen Systems auf Ihren Schultern tragen.

(Minister Karlheinz Weimar: Ich habe doch gar nichts gesagt!)

– Ja, Sie sind ungewöhnlich ruhig. Aber ich denke, das wird sich im Laufe der Zeit noch ändern. – Sie tun immer so, als laste das allein auf Ihren Schultern und auf den Schultern des Landes Hessen. Ich habe Ihnen dargelegt: Das ist alles Quatsch, das war schon immer so. Es ist nur eine Notlüge, um Ihr haushaltspolitisches Versagen zu kaschieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Frau Kollegin Erfurth, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Sigrid Erfurth:

Ich komme auch gleich zum Schluss.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Um es zum Abschluss ganz klar zu sagen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht für eine Neuorganisation des föderalen Finanzausgleichssystems.

(Minister Volker Bouffier: Sagen Sie doch auch einmal etwas Nettes!)

– Ich sage jetzt etwas ganz Nettes. – Wir wollen ein transparentes, ein gerechtes und ein anreizorientiertes Ausgleichsystem.

(Minister Karlheinz Weimar: Ist doch in Ordnung!)

Aber dafür reicht es nicht, zu jammern. Herr Finanzminister, da sollten Sie Ihre Position als Finanzminister in der Arbeitsgruppe zur Föderalismuskommission II nutzen, um auch hier endlich zu Ergebnissen zu kommen. Da nutzt es nichts, wenn Sie uns etwas vorjammern, sondern da ist Mitarbeit gefragt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth.



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