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Sigrid Erfurth zur Entwicklung der Haushalts- und Finanzsituation in Hessen

14. November 2007

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir kommt jetzt die Aufgabe zu, in relativ kurzer Zeit sowohl die Stellungnahme der GRÜNEN zum Einzelplan 06 des Haushalts abzugeben als auch die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Haushalts- und Finanzsituation in Hessen zu bewerten. Das scheint auf den ersten Blick etwas schwierig, ist aber, wenn man näher in die Thematik einsteigt, eigentlich gar nicht mehr so schwierig, denn man kann es in drei groben Schlaglichtern zusammenfassen.

Erstens. Die Landesregierung hat mit bisher ungekannter Schamlosigkeit die Verschuldung nach oben getrieben, und sie ist nicht willens, jetzt in guten Zeiten, da die Steuerquellen sprudeln, diese Verschuldung abzubauen.

Das eigentlich Schlimme an der Sache finde ich, dass man überhaupt nicht erkennt, wo es denn hingehen soll, wo Sie Maßnahmen vorsehen, um in Zukunft die Schulden zurückzufahren. Wir erleben schon den ganzen Tag eine rückwärts gewandte Debatte und nichts, aber auch gar nichts als Ansatz für die Lösungen für morgen.

(Beifall der Abg. Ursula Hammann und Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Finanzminister, Sie haben bei all der Schuldenmacherei nahezu unverschämtes Glück gehabt. Die Schuldzinsen sind seit 1999 um rund 1,5 % gesunken. Das lässt sich aus der Antwort auf die Fragen 22 bis 26 unserer Großen Anfrage ganz wunderbar ablesen.

(Minister Karlheinz Weimar: Nein!)

– Doch. Das lässt sich ablesen. Die Zinsen sind gesunken, und trotz steigender Verschuldung zahlen Sie nicht mehr an Zinsen.

(Minister Karlheinz Weimar: Nein, was wir im Durchschnitt bezahlen, ist um 1,5 Prozent gesunken!)

– Ja. Aber wenn die Zinsen weiter auf dem Niveau von 1999 geblieben wären, wäre Ihr Haushalt noch viel stärker an die Wand gefahren. Das ist doch die Tatsache, der Sie ins Auge blicken müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können zweitens feststellen: Die Landesregierung wirft Nebelkerzen und verkündet, nur der Länderfinanzausgleich sei schuld an der Situation. Damit will sie ein bisschen verbrämen, dass sie nicht die Kraft aufbringt, den Haushalt jetzt in guten Jahren zu sanieren. Herr Weimar, da verschweigen Sie auch ganz schamhaft, dass Sie als Vorsitzender der Finanzministerkonferenz nicht verhindern konnten, dass die Frage der Neuregelung im Länderfinanzausgleich, die Ihnen ja immer so wichtig ist und die Sie immer so hervorheben, bis weit in das nächste Jahr hinein verschoben worden ist. Wenn es Ihnen so wichtig gewesen ist, warum haben Sie es nicht geschafft, diese Neuregelung im Länderfinanzausgleich weiter nach vorn zu ziehen und dieses für Hessen wichtige Thema früher zu lösen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte große Punkt ist: Die Landesregierung hat dem Land Hessen durch bisher beispiellose Vermögensverkäufe Vermögensgegenstände in bisher ungeahnter Höhe entzogen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Wir bekommen dazu für die nächsten 30 Jahre neue Kosten in Form von Mietzahlungen. Diese engen den Handlungsspielraum mindestens über die nächsten fünf Legislaturperioden und noch weit darüber hinaus ein.

Bleiben wir doch einmal bei diesem Thema und unterziehen wir die Immobilienverkäufe, die das hoch gelobte Finanzierungsinstrument der Landesregierung sind, einer näheren Betrachtung. Schauen wir, was die Landesregierung in den Antworten auf unsere Große Anfrage dazu geschrieben hat.

Wir haben Sie gefragt, wie hoch denn die Mietzahlungsverpflichtungen für die verkauften Objekte in Zukunft sein werden. Die Antwort der Landesregierung – das können Sie in der Antwort auf Frage 47 nachlesen – dazu ist ziemlich kurz und schlicht. Ich zitiere:

Da in den Mietverträgen indexbezogene Anpassungsklauseln enthalten sind, können die zukünftigen Zahlungsverpflichtungen nicht genau angegeben werden.

Super, kann ich da nur sagen. Die zukünftigen Zahlungsverpflichtungen können Sie nicht genau angeben. Aber, Herr Weimar, Herr Caspar, Herr Milde, Herr Williges, und wer alles von der CDU sich hierhin gestellt und uns vorgetragen hat, wie schön doch diese Verkäufe sich für Hessen lohnen und was für ein gutes Geschäft das für Hessen ist, wie haben Sie denn dieses gute Geschäft berechnet, wenn Sie doch nicht genau wissen, wie sich diese Mietkosten in der Zukunft entwickeln?

(Minister Karlheinz Weimar: Das sind doch mathematische Berechnungen, die Stand der Technik sind! Die haben Sie doch bekommen!)

– Warum können Sie uns dann diese mathematischen Berechnungen nicht darlegen, Herr Finanzminister?

(Minister Karlheinz Weimar: Sie haben doch im Haushaltsausschuss alles bekommen!)

– Sicher haben wir das bekommen. Aber wir haben Sie ganz konkret gefragt, wie sich denn diese Mietkosten entwickeln. Sie schreiben – Sie können das in der Antwort auf die Große Anfrage nachlesen –, Sie können es nicht genau beziffern. Entweder war das bei den Begründungen der Verkäufe nicht in Ordnung, oder Sie haben bei der Beantwortung der Großen Anfrage geschludert. Irgendetwas stimmt da nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Oder beides!)

– Oder es stimmt beides nicht. – Herr Weimar, es könnte auch der Fall sein, dass das genaue Nachrechnen die Auskunftsfreude zerschlagen hat. Auch das könnte der Fall sein. Jetzt hat man das noch einmal nachkalkuliert und gemerkt, dass das in die falsche Richtung geht. Herr Weimar, vielleicht ist das einer der Gründe gewesen, warum Sie den Verkauf des Portfolios Leo III zu Recht verschoben haben. Das könnte durchaus mit ins Kalkül gezogen worden sein.

Ich bezeichne das Ganze für mich als Schleiertanz.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber ein schönes Bild: Herr Weimar im Schleier!)

Vor die Ergebnisse wird immer ein Schleier gelegt. Dann wird immer ein bisschen herumgetanzt. Die Fakten werden nicht richtig und ganz freigegeben.

Diese Schleiertechnik können wir auch bei der Beantwortung der nächsten Fragen erkennen.

(Minister Karlheinz Weimar: Vermummungsverbot!)

– So dicht ist der Schleier dann doch nicht. Ab und zu dürfen wir dahinter gucken.

Sie behaupten tatsächlich, der Verkauf und die Rückmietung der Gebäude seien haushaltsrechtlich nicht als verdeckte Kreditaufnahme zu behandeln. Das kann man in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage nachlesen. Was ist es dann aber ansonsten? Sie mögen es vielleicht so sehen wollen und behaupten deshalb, dass das keine verdeckte Kreditaufnahme war. Aber eines steht doch fest: Ohne diese Verkäufe hätten Sie den Haushalt doch noch weiter ins Defizit gefahren.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Diese Verkäufe haben ihre Haushaltsdefizite in den Jahren 2004 bis 2006 etwas abgepuffert.

Sie haben aber damit das strukturelle Defizit erhöht. Herr Weimar, Verschleierung bringt da doch überhaupt nichts. Sie müssen schon den Fakten ins Auge sehen. Sie müssen auch bei den Antworten auf unsere Große Anfrage bei der Wahrheit bleiben. Sie haben trotz der Verkäufe den Schuldenstand Hessens in bisher ungeahnte Höhen getrieben.

Auf unsere Frage 50 antworten Sie, Sie könnten uns den vorhandenen Grundbesitzbestand zum 31. Dezember 2006 nicht mitteilen, weil man das wegen der vielen Veränderungen nur schwer schätzen könne. Da komme ich wirklich ins Grübeln. Sie haben uns immer versprochen, mit der Umstellung des Haushalts auf die Doppik werde alles neu und ganz transparent. Wenn wir anfangen, diese Transparenz einzufordern, dann haben wir ihn wieder, diesen Schleier. Wir können dann doch nicht hinter ihn schauen und bekommen die Antworten nicht, die wir von Ihnen eigentlich bekommen müssten.

Es wird Zeit, dass dieser Schleiertanz ein Ende hat und dass die Chance besteht, dass die Kraft, den Haushalt in Hessen zu sanieren, wieder aufgebracht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Reinhard Kahl und Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben Ihnen mit unseren Änderungsanträgen zum Haushaltsplan ein Angebot gemacht. Sie liegen vor. Sie haben jetzt noch die Chance, einzusteigen und einen zukunftsfähigen Haushalt für Hessen zu schaffen. Ich befürchte aber, dass Sie die Kraft nicht aufbringen werden, mit uns diesen Weg für morgen zu gehen. Das ist auch gut so. Denn das werden wir ab dem nächsten Jahr machen. – Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.



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