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Sigrid Erfurth zum Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten

12. Dezember 2007

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal Ihnen, Herr Professor Ronellenfitsch, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Hause einen ganz herzlichen Dank für den vorgelegten Bericht und für Ihre geduldige und fachkundige Mitarbeit und auch für den mit Musik angereicherten Vortrag heute morgen. Ich hatte schon einmal das Vergnügen, Sie auch in musikalischer Aktion zu erleben. Ich kann den Damen und Herren, die nicht da waren, sagen: Auch das war ein Genuss.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Professor Ronellenfitsch, trotz Ihrer freundlichen und verbindlichen Art ist es Ihnen leider nicht gelungen, die Landesregierung von wesentlichen Bausteinen im Datenschutz zu überzeugen, die dazu führen könnten, dass Hessen wieder seinen Ruf als Stammland für den Datenschutz zurückerobert. Das ist nicht Ihnen geschuldet – das möchte ich genauso betonen wie der Kollege Siebel vor mir –, sondern der Tatsache, dass die Landesregierung und insbesondere der zuständige Minister, Herr Volker Bouffier, an bestimmten Punkten nicht zugänglich ist und sich als beratungsresistent erwiesen hat. Ich spreche vom Informationsfreiheitsgesetz, von Onlinedurchsuchungen, von der Rasterfahndung und vom Umgang mit den Daten von Bürgerinnen und Bürgern.

Es ist der letzte Datenschutzbericht in dieser Legislaturperiode. Das finde ich auch gut so. Denn ab dem nächsten Jahr haben wir die Chance, dem Datenschutz in Hessen wieder einen angemessenen Platz einzuräumen und dafür Sorge zu tragen, dass auch in Hessen wieder positive Impulse für den Datenschutz ausgesandt werden und nicht das Abwehrgefecht gegen die berechtigten Schutzinteressen von Bürgerinnen und Bürgern gefochten wird.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte dabei kurz im Sinne einer Bilanz auf einige Punkte eingehen und beginne mit dem Informationsfreiheitsgesetz. Die Landesregierung und auch die CDU-Landtagsfraktion hat es unter den fadenscheinigsten Begründungen immer wieder abgelehnt, ein Informationsfreiheitsgesetz in Hessen zu verabschieden. Da wird dann das berühmte Bürokratiemonster bemüht, das immer dann auftaucht, wenn die Argumente ausgehen. Meine Damen und Herren von der CDU, halten Sie es sich doch einmal vor Augen: Es ist doch die Datenverarbeitung und die Einführung von eGovernment, die gerade Ihnen und der Landesregierung ganz besonders am Herzen liegt und der Sie sich verschrieben haben. Dabei wird Datenbestand aufgebaut, ein großer Datenbestand. Dabei werden Möglichkeiten der Verknüpfung geschaffen. Das Wissen über Bürgerinnen und Bürger in Hessen in Verwaltungen und Behörden wird immer größer. Da müssen Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, diese Informationen abzufragen. Das ist ein Akt der Fairness und des gleichberechtigten Miteinanders. Diesen Akt der Fairness und der Gleichberechtigung haben Sie bisher verweigert. Sie bekräftigen Ihre Verweigerung in der Stellungnahme der Landesregierung erneut.

Da wird es Zeit, dass in Hessen ein anderer Wind weht

 (Michael Boddenberg (CDU): Darauf hofft auch Herr Scheer!)

und dass die Landesregierung in der Opposition Zeit bekommt, über Datenschutzbelange nachzudenken. Darauf hoffe ich stark.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Klee (CDU): Ihr macht doch schon viel Wind!)

– Über die heiße Luft können wir uns vielleicht an anderer Stelle unterhalten, Herr Klee. – Zum Thema Onlinedurchsuchungen. Hier hat sich eine unheimliche Allianz von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble über den hessischen Innenminister Volker Bouffier und jetzt sogar bis zum Schatteninnenminister Jürgen Walter gebildet.

 (Michael Boddenberg (CDU): Mehr Schatten als Minister!)

Das ist für mich und für Hessens Bürgerinnen und Bürgern kein gutes Zeichen. Da brauchen wir starke GRÜNE zum Schutz der Bürgerrechte.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier: Da bin ich einmal froh, dass in der SPD zumindest einer – –)

– Nur die Ruhe, Herr Innenminister. Ich kann Sie nur bitten, die Ermahnungen des Datenschutzbeauftragten ernst zu nehmen.

Ihr Kollege, der hessische Finanzminister, versucht, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Hessen mit ziemlichem Aufwand davon zu überzeugen, dass sie ihre Steuererklärungen über das Internet abgeben. Ich möchte an diesem Beispiel demonstrieren, wie abschreckend dann Ihr Verhalten sein wird. Ich habe eine Auswahl von Werbemedien dabei, mit denen der hessische Finanzminister die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Hessen davon zu überzeugen versucht, die Steuererklärung über das Internet abzugeben. Das ist alles in sympathischem Grün; das muss ich betonen. Hier haben wir eine praktische Tragetasche mit der Aufschrift "www.elster.de", hier einen wunderschönen Kuli. Die Aufschrift können Sie jetzt nicht lesen, aber auch darauf steht: "www.elster.de". Als Drittes habe ich die hübschen kleinen Klebezettel, die wir alle gerne benutzen. Die werben damit: "Geben Sie Ihre Steuererklärung elektronisch ab – www.elster.de".

All das ist darauf ausgerichtet, den Bürgerinnen und Bürgern die Abgabe der Steuererklärung im Internet schmackhaft zu machen, weil das nämlich Verwaltungsaufwand spart – ein richtiger Ansatz, könnte man meinen. Dann kommen Sie, Herr Bouffier, als hessischer Innenminister, und durchsuchen die Festplatte heimlich mit Trojanern wie ein ganz gewöhnlicher Krimineller. Das passt nicht zusammen.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Nicht bei denen, die ihre Einkommensteuererklärung abgeben, Frau Kollegin! Das ist blanker Unsinn, was Sie hier vortragen!)

Geben Sie mit gutem Gewissen Ihre Steuererklärung über das Internet ab, wenn Sie wissen, der Staat kann mit Trojanern eindringen und sich verhalten wie ein ganz gewöhnlicher Krimineller?

 (Michael Boddenberg (CDU): Völliger Unsinn!)

– Das ist kein Unsinn, Herr Boddenberg, und das wissen Sie. Sie wissen ganz genau, dass Sie das Vertrauen der Bevölkerung in die Abgabe der Steuererklärung im Internet ganz erheblich erschüttern. Wenn sich dann auch noch die Hessische Landesregierung für Onlinedurchsuchungen einsetzt, dann ist dieses Vertrauen völlig dahin.

 (Michael Boddenberg (CDU): Wenn Sie weiter solchen Unsinn verbreiten, dann sind die Leute wirklich verunsichert!)

Ich hoffe sehr darauf, Herr Boddenberg, dass bei den Menschen im Lande das Nachdenken darüber einsetzt, wie denn dieses Verfahren der Onlinedurchsuchung in ihre ganz privaten Lebensbereiche eingreift und wie schlimm es werden kann, wenn der Staat mit kriminellen Methoden auf den Festplatten der Hessinnen und Hessen unterwegs ist.

 (Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Jetzt langt es! Es geht um Kriminelle!)

– Ja, genau so wird es werden. – Man kann sich die Frage stellen, ob der Name Elster, mit dem der hessische Finanzminister wirbt, vielleicht eine andere Bedeutung bekommt. Sie wissen, die Elster ist ein kleiner, diebischer Vogel, der sich gerne bei anderen bedient. – Lassen Sie es nicht so weit kommen. Nehmen Sie die Ermahnungen des Hessischen Datenschutzbeauftragten ernst.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU) und Jörg-Uwe Hahn (FDP))

– Regen Sie sich nicht so auf, Herr Hahn. – Ich möchte Ihnen aus dem Sonderheft des "Spiegel" vom Juni dieses Jahres zitieren. Dort steht:

Hammervorschriften – so charakterisiert der Frankfurter Polizeiexperte und Staatsrechtler Erhard Denninger, was das entsteht. Der digitale Zerfall der Bürgerrechte ist nicht mehr zu bemänteln. Niemand kann sich künftig mehr in dem wohligen Gefühl zurücklehnen, er habe nichts zu befürchten, da er ja nichts Unrechtes zu verbergen habe. Der Onlinezugriff der Ermittler kann buchstäblich jeden treffen.

Ich denke, das ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten, und dagegen muss der Hessische Landtag Pflöcke einschlagen und nicht nur rote und schwarze Teppiche für die Ideen von Wolfgang Schäuble ausrollen.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier: Das ist ziemlich sinnfrei!)

– Über die Sinnfreiheit meines Beitrags können Sie sich im Anschluss auslassen. Darauf bin ich sehr gespannt.

Meine Damen und Herren, aus der Haltung der Landesregierung spricht mangelndes Schutzinteresse für den Datenschutz. Das spricht aus Ihren Zwischenrufen, das spricht aus dem, was der Innenminister hier ständig von der Seite aus zuruft. Es spricht auch aus dem, was wir in der Stellungnahme der Landesregierung lesen können. So hat der Datenschutzbeauftragte moniert, er habe den Sicherheitsvorschriften beim Akkreditierungsverfahren zur Fußball-WM nur deshalb zugestimmt, weil es sich dabei um ein singuläres Großereignis gehandelt habe. Er sei nicht willens, diese hohen Einschränkungen beim Datenschutz einfach so auf andere Großereignisse zu übertragen. Es wurde gebeten, die damals geschaffene technische Infrastruktur nicht weiter zu nutzen.

Diese Bedenken werden von Ihnen einfach so vom Tisch gewischt, und es wird erklärt, man betrachte andere Großereignisse als durchaus gleichrangig, und man wolle die einmal aufgebaute technische Infrastruktur dafür weiter nutzen.

Genau so sind Sie. So konnte man es vorhin auch bei Herrn Beuth hören. Was Sie verharmlosend Anpassung nennen, ist Ausweitung. Da hat der Spruch des Kollegen Frömmrich von der Salamitaktik durchaus seine Berechtigung.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Erfurth, Sie müssen zum Schluss kommen. Die Redezeit ist um.

Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie wollen einmal aufgebaute technische Infrastruktur nicht wieder zurückfahren. Einmal eingedrungen in den Datenbestand der Bürgerinnen und Bürger, werden Sie sich dort weiter bedienen. Sie haben kein Interesse daran, die Datenschutzinteressen weiter auszubauen. Es wird Zeit, dass wir das beenden.

 (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Wenn es wirklich einmal so schwarz-weiß wäre, wie Sie es gerne hätten!)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Erfurth.

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